Stufenweiser
Abbau des Lagers Riensberg
Es
darf mit Gewissheit damit gerechnet werden, dass das Lager Riensberg
in den nächsten 4 bis 5 Jahren stufenweise abgebaut wird.
Wenn
diese Frage erst heute akut wird, so darf dabei nicht vergessen
werden, dass die durch den letzten Krieg zu 60 Prozent zerstörte
Stadt Bremen vor Aufgaben stand, die nicht in wenigen Jahren zu lösen
waren. Galt es doch zunächst, das Leben in unserer Stadt wieder zu
normalisieren und für alle Bürger gesicherte Arbeitsplätze zu
schaffen. Dazu gehört in erster Linie der Ausbau der Häfen und
Werften sowie der Industrie. Weiter galt es, Wohnungen und Schulen
zu bauen und das Straßennetz dem wachsenden Verkehr anzupassen.
Die
Unterbringung der Obdachlosen war bereits seit der Währungsreform
ein Problem der Großstädte geworden. Die Schaffung von Obdachlosen-Unterkünften
musste naturgemäß hinter den vordringlichsten Aufgaben, wie oben
bereits erwähnt, zurückstehen. In den letzten Jahren wurden in
Bremen in verschiedenen Stadtteilen Schlichtbauten erstellt, die aber
nicht für die Unterbringung der ortsansässigen Obdachlosen
ausreichten. Aus diesem Grunde mussten Lösungen gefunden werden, die
die Einrichtung von Behelfsunterkünften notwendig machten, wobei auch
das bereits vorhandene Barackenlager Riensberger Straße in Anspruch
genommen wurde. Schon seit geraumer Zeit werden von mir Verhandlungen
mit den zuständigen Behörden mit dem Ziel geführt, die Baracken
an der Riensberger Straße entfernen zu lassen. Derartige
Verhandlungen sind schwierig und langwierig und können nur mit
Besonnenheit zum Erfolg führen.
Kürzlich
wurde die Frage aufgeworfen, ob es zweckmäßig und erforderlich sei,
in dem Lager eine Kinderhort-Baracke aufzustellen. Der Beirat des
Ortsamts Horn-Lehe hat in der Sitzung am 13. 9. 1960 bereits Bedenken
gegen die Aufstellung dieser Baracke erhoben. Diese Bedenken habe
ich zur Grundlage weiterer Verhandlungen mit den zuständigen Behörden
gemacht.
Ich
halte es für meine Pflicht, bei dieser Gelegenheit darauf
hinzuweisen, dass der Bürgerverein Horn-Lehe sich ebenfalls seit längerer
Zeit darum bemüht, eine Räumung des Lagers voranzutreiben. Wenn der
Bürgerverein in der
Behandlung
dieser Frage bisher zurückhaltend war, so geschah dieses nach Rücksprache
mit mir aus ganz bestimmten Gründen, die ich hier im Interesse der
Horner Bevölkerung nicht zum Ausdruck bringen kann. Zu gegebener Zeit
werde ich darauf zurückkommen und bin sicher, dass jeder Horner Bürger
Verständnis für diese Haltung haben wird. Der Vorschlag des Bürgervereins,
die Kinderhort-Baracke nicht im, sondern außerhalb des Lagers
aufzustellen, ist sicherlich von der Überlegung ausgegangen, dass
dadurch die Kinder von der Straße gezogen werden würden, und somit
eine Entspannung zu den Anliegern der Riensberger Straße und
Achterstraße eintreten könnte. Ähnliche Gedanken waren in der
Beiratssitzung ebenfalls laut geworden.
Diese
Meinung kann ich allerdings nicht teilen, da ich nach wie vor der
Ansicht bin, dass dem zweifellos vorhandenen Übelstand nur dadurch
wirksam abgeholfen werden kann, wenn die Bewohner des Lagers in schon
vorhandene oder noch zu bauende Schlichtwohnungen gestreut in allen
Stadtteilen untergebracht werden. Der Beirat hat in seiner letzten
Sitzung am 3. 11. 1960 einstimmig sich gegen die Aufstellung der
Kinderhort-Baracke inner- und außerhalb des Lagers ausgesprochen.
Die
bisher geführten Verhandlungen lassen schon heute erkennen, dass das
Lager Riensberg in den nächsten 4 bis 5 Jahren stufenweise geräumt
wird. Diese von mir gemachten Ausführungen werden durch die von mir
mit Herrn Senator Balcke geführten Gespräche und durch das bereits
von der Deputation für das Bauwesen beschlossene Baracken-Räumprogramm
bekräftigt.
Adolf
Könsen, Amtsvorsteher
"Unser Horn" Nov. 1960
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