Fraedrich, Friedrich Gustav,
*11.1.1879
in Bremen, + 20.9.1966 in Stein b. Immenstadt i. Allgäu
1918 - 1948 Pfarrer an der Kirche in Horn.
Gustav Fraedrich kam 1879 in der Bremer Neustadt, als
Sohn des Pfarrers Daniel Fraedrich und seiner Ehefrau Anna Dorothea, zur
Welt.
Im ersten Weltkrieg war er
bis zu seiner Verwundung 1915 als Wehrmachtspfarrer in Polen tätig. In
dieser Zeit verfasste er das Religionsgeschichtliche Volksbuch „Des
Heervolkes Seele“, in dem er sich trotz seiner eigenen vaterländischen
Begeisterung, dennoch sehr kritisch die Psychologie der Massenseele
auseinander setzt.
1918 bewarb er sich auf Bitten von Freunden, nach
Bremen und wurde von der Horner Gemeinde als Seelsorger gewählt. Mit
seiner Frau Charlotte, geb. Hoch und seinen Töchtern
Maria (gesch. Bücking, verh. Krüger)
und Eva (verh. Schatz)
sowie seinen Söhnen Wolfgang und Werner
bezog er das Pfarrhaus an der
Beckstraße. Dort wurde auch der
jüngste Sohn Willhart geboren.
Die
Gemeinde umfasste damals neben Horn Sebaldsbrück, die Vahr, den Lehester
Deich und Oberblockland und bestand aus über 16 000 Seelen. Fraedrich
musste an fünf verschiedenen Orten Konfirmandenunterricht halten und für
Haus-Taufen und -Trauungen weite Entfernungen - zunächst mit dem Rad und
später im Auto - zurücklegen. Neben den Predigten in der Gemeinde, zu
denen auch Hörer aus der Stadt kamen, hielt er im Winter Vortragsreihen
über kirchliche und kulturelle Themen. Nicht nur den Gebildeten seiner
Gemeinde vermochte er viel zu geben, er verstand es auch, mit den
einfachen Leuten seiner sozial sehr verschiedenartig zusammengesetzten
Gemeinde ins Gespräch zu kommen. Seine Gutmütigkeit mag manchmal
ausgenutzt worden sein; doch seine Meinung war: „Wenn ich in 100 Fällen
nur einmal aus wirklicher Not gerettet habe, sind die anderen damit
aufgewogen.“ Seine besondere Liebe galt der heranwachsenden Jugend, die er
in Lesekreisen sammelte, mit der er Theateraufführungen im
Konfirmandensaal an der Berckstraße veranstaltete und weite Wanderfahrten
zu Fuß, auf Rädern oder in Booten unternahm.
Mit
den Jahren war „Use Paster“ mit seiner Gemeinde fest verbunden. Dem
Nationalsozialismus stand er nach eigenen Worten von Anfang an "besorgt
und misstrauisch" gegenüber. Gegen Bischof Weidemann von den Deutschen
Christen hat er in vorsichtiger Weise opponiert haben. Nach der ersten
Massenkundgebung der Deutschen Christen unterstützt Fraedrich zusammen mit
anderen liberalen und orthodoxen den "Aufruf Bremischer Pastoren" "Die
Stunde der evangelischen Kirche". Geprägt von nationalkonservativer
Haltung sprechen sie neben dem politischen "Ja" zur "Regierung der
nationalen Erhebung" ihr theologisches "Nein" zu einer nach
nationalsozialistischen Parteiprinzipien organisierten Reichskirche aus.
In einer Aufschlüsselung der Geheimen Staatspolizei wird Fraedrich mit
sieben anderen Pastoren als "neutral" eingestuft. (71) Während Fraedrich
gewöhnlich nur unpolitische Predigten hielt, erklärte er nach dem
Novemberprogrom, dass die Plünderung der jüdischen Läden und die
Zerstörung der Synagogen nicht, wie behauptet, eine spontane Regung der
deutschen Volksseele gewesen, sondern eine organisierte Aktion der
Nationalsozialisten gewesen sei. Obwohl er mit seiner Verhaftung rechnete
und unter dem Talar vorsorglich warme Kleidung angezogen hatte, blieb er
zu seiner eigenen Verwunderung unangefochten. Als er die überfüllte Kirche
verlassen hatte, war ein prominentes Mitglied der Gemeinde aufgestanden
und hatte ausgerufen: „Wir wollen uns unseren Pastor erhalten und wollen
darum heute nichts gehört haben!“
Bei all seiner erfüllenden Arbeit blieb ihm des
Lebens Leid nicht erspart: seine drei Söhne und ein Schwiegersohn wurden
im 2. Weltkrieg getötet.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges musste man im
Pfarrhaus zusammenrücken. Neben den 12 Familienmitgliedern, die sich um
den Essenstisch scharten waren im oberen Stockwerk 3 Familien
untergebracht, die ihre Wohnungen durch Bombenangriffe verloren hatten.
Nur
eine Kraftnatur wie er, der gewohnt war um 6 Uhr aufzustehen und bis in
die Nacht hinein zu arbeiten, war imstande, drei Jahrzehnte hindurch so
pausenlos zu wirken. Seine Erholung suchte und fand er in der Natur, bei
der Arbeit im großen Pfarrgarten der sich entlang der Berckstraße
erstreckte und dessen mehr als 100 Obstbäume er liebevoll pflegte.
Anwohner erzählten, wie er sich auf dem Weg von der Gartenarbeit zum
Pfarrhaus, bekleidet mit Gummistiefeln, selbstredend auf die Predigt
vorbereitete. Ein Teil der Ernte seiner Obstbäume verteilte er
anschließend an seine Konfirmanden.
Gegenüber der Jugend betonte er stets sein Menschen
bildendes Interesse: „Ich will euch zu gebildeten Menschen machen, was
sonst mit euch geschieht muss ich dem Himmel überlassen.“ Auch betonte er
gegenüber seinen Konfirmanden sein Verhältnis zur Wissenschaft, indem er
sie nicht auf das Glaubensbekenntnis („die Wissenschaft hat die
Jungfrauengeburt widerlegt“), sondern auf das Glaubenslied Luthers
konfirmierte. Durch seine allseitige Zuwendung und seine vielfachen
Aktivitäten legte er wohl auch den Grundstein für die Wanderleidenschaft
seines bekanntesten Konfirmanden, des späteren Bundespräsidenten Karl
Carstens, der später volksnah die Bundesrepublik mit Rucksack und
Wanderstock durchwanderte.
Nach seiner Emeritierung im Jahre 1948 zog er nach
Immenstadt im Allgäu, wo er sich schon 1936 ein Haus gekauft hatte.
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