Kaisenhaus 
im Parzellengebiet am Heinrich-Kaemena-Weg zwischen Eisenbahnstrecke Bremen-Hamburg und heutigem Universitätsgelände (NW 1).

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Hausbau 1953/1954

Im Jahre 1952 begann der bis dahin in einem Pensionszimmer lebende M. Meints mit dem Bau eines Hauses auf der umgepflügten Weide des Bauern Heinrich Kaemena. Nach der Fertigstellung im Jahr 1954 bezog er es mit seiner Frau. Die Bauzeichnungen erstellte der angehende Architekt Garbade, die erforderlichen Materialien bezog Herr Meints von dem Baustoffhändler Braun und einem mit Baustoffen handelnden Kohlenhändler auch benutzte er aus Trümmersteinen angefertigte Ziegelsteine. Herr Meints  erstellte das Haus in Alleinarbeit: abends, an den Wochenenden, im Urlaub; andere bereits ansässige Bewohner des Parzellengebietes halfen. Auch den Dachstuhl fertigte der gelernte Zimmermann selbst;  1953  beschädigte eine Windhose das bereits fertiggestellte Dach und einen Giebel. Die Stadt erlaubte lediglich eine Fläche von 20 qm (!); für die nicht genehmigte größere Fläche musste M. eine Strafe von ca. 200 Mark zahlen. Im Laufe der Jahre wurde die bewohnbare Fläche auf ungefähr 50 bis 60 qm erweitert. In dem Haus lebte das Ehepaar Meints mit seinen beiden Kindern und einem Hund. Elektrizität war von Beginn an vorhanden; Wasser musste zunächst vom Wasserverteiler am Ahornweg geholt werden; eine Wasserleitung wurde erst ein Jahrzehnt später gelegt. Geheizt wurde mit Holz und Kohle; seit den sechziger Jahren wurde Propangas zum Kochen und Öl zum Heizen verwendet. Für die Bodenfläche musste M. eine Erbpacht an den Bauern Kaemena zahlen, für das Haus war an die Stadt Bremen ein jährliches "Wohnlaubengeld" von 200 DM zu entrichten. 1999 wurde das Kleingartengebiet sieben bis acht noch existierenden Kaisenhäusern "zugunsten" der Süderweiterung des Technologieparks abgerissen. Die Bewohner erhielten eine Abfindung. Nach ungefähr 45 Jahren Bewohnung verließ Herr Meints das mit eigenen Händen gebaute Haus und zog in eine Etagenwohnung in den Hollergrund. 


Fotos von oben nach unten: 1955, 1999 und "Abschied für immer" 1999 (Alle Fotos M. Meints)

Die Geschichte der Kaisen-Häuser

Die Geschichte der Bremer Kleingärten und speziell der Kaisen-Häuser in den Bremer Parzellengebieten beginnt nicht erst mit dem Erlass des sogenannten "Kaisen-Rechts". Bereits im Spätmittelalter begannen die StadtbewohnerInnen in militärisch unnötig gewordenen Festungsgräben innerhalb des Stadtgebiets ihr Obst und Gemüse zu ziehen. In Bremen waren es zunächst die Wallanlagen, die für den Anbau von Grünkohl herhalten mussten, bis die Bremer Bürgerschaft 1813 beschloss, öffentliche Gärten anzulegen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in unmittelbarer Nähe der Stadt "Armengärten" angelegt, die eine Art "Hilfe zur Selbsthilfe" den Armen ermöglichte, anzubauen, was sie zum eigenen Lebensunterhalt benötigten.
In dieser Tradition stand auch die Kleingartenbewegung der "Arbeiter- und Schrebergärtner, der Klein- und Familiengärtner" in Bremen vor dem ersten Weltkrieg. Immer wieder, bis in die 30er Jahre hinein, boten die Parzellengebiete Raum, um die existenziellen Notstände der Zeit zu überbrücken. Im Jahr 1931 gab es in Bremen rund 28.000 ParzellistInnen, und längst nicht alle waren Mitglied in bestehenden Vereinen. Das sollte sich mit dem Machtantritt der Nazis zwei Jahre später ändern: Der selbst geschaffene Lebensfreiraum vieler ParzellenbewohnerInnen geriet ins Visier der staatlichen Observation. Vor allem jene KleingärtnerInnen, die bislang in keinen Vereinen erfasst waren, boten, inklusive anderer, von den Nazis als solche empfundenen baupolizeilichen Missstände, Anlass zur Überwachung. Nicht von ungefähr boten die schmalen, manchmal schwer zugänglichen Wege, die Grundstücke mit mehreren Eingängen und die vorteilhafte Unübersichtlichkeit gegenüber der Stadt Raum und Schlupfwinkel für den Widerstand, dem die Nazis vor allem mit Hetzkampagnen, Razzien, Verhaftungen und willkürlichem Abfackeln von Parzellenhäusern, in denen sie politisches Material vermuteten, versuchten beizukommen. Trotzdem wurde die Widerstandsarbeit bis zum Kriegsende praktisch aufrechterhalten. Flugblätter wurden mit Linolschnitten hergestellt, bevor Druckmaschinen da waren, Schreibmaschinen, deren Klappern im Kleingartengebiet natürlich schneller unterging als in den großen Mietshäusern, im gemauerten Misthaufen versteckt, heimliche Treffen in den Gartenlauben abgehalten.
Im Krieg schließlich waren die Gärten aber auch Orte des praktischen Überlebens und als die Stadt weitestgehend zerstört war, boten die Parzellengebiete für die Wohnungslosen und Ausgebombten die erste Möglichkeit, zumindest vorübergehend Unterkunft zu finden. Für viele wurde das vorübergehende Wohnen im nur notdürftig winterfest gemachten Häuschen zur dauerhaften Behausung, und so blieben nach dem Krieg, legitimiert durch das Kaisen-Recht, Tausende im grünen Gürtel der Stadt.
Zu Hochzeiten der Nachkriegsjahre lebten im Bremer Stadtgebiet bis zu 70.000 Menschen "auf Parzelle".Erst mit dem Bau der großen Wohnsiedlungen wie dem Leher Feld, oder der neuen Vahr wurde Wohnraum in größerem Ausmaß geschaffen, der die Wohnungsnot linderte.
Da frische Luft aber bekanntlich gut tut, wollten viele BewohnerInnen der Parzellengebiete einfach nicht umziehen. Von dem eher willkürlichen und noch recht vereinzelten behördlichen Vorgehen gegen sogenannte "Schwarzbauten" ließ sich schon gar niemand abschrecken und schließlich galt immer noch das Kaisen-Wohnrecht. Ob es dann 1974 einem eifrigeren Amtsmenschen zu bunt wurde oder sich die Behörde von den Beschwerden vom Abriss Betroffener genötigt sah zu handeln, ist hier nicht mehr nachzuvollziehen.
Am 28. Mai 1974 erging die Dienstanweisung 268, die endlich die Verhältnisse ordnen sollte. In ihr wurde ein "Auswohnrecht" für die sogenannten KaisenbewohnerInnen festgeschrieben und die Stadtgemeinde dazu angehalten, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen - um damit und unter Zuhilfenahme anderer "weicher" Maßnahmen langfristig eine Bereinigung zu erreichen.
Jedoch - War der vielbeschworene Hauch der 70er ganz laissez-faire auch ins Bremer Bauordnungsamt gezogen? - Tatsache ist jedenfalls, dass sich auch nach dieser Verfügung das widersprüchliche, gar "inkonsequent" zu nennende Handeln und Vorgehen gegen die ParzellistInnen nicht maßgeblich veränderte. Weiterhin wurden bis in die 90er Jahre hinein einzelne BewohnerInnen rechtlich belangt, tatsächliche Kriterien waren dafür hingegen nicht erkennbar. Die massive Wohnungsnot der 80er Jahre mag ein Grund gewesen sein und es daraus folgend natürlich politisch unklug, den ohnehin knappen Wohnraum noch weiter zu begrenzen.
1994 schließlich sah sich das Oberverwaltungsgericht bemüßigt, das Vorgehen des Amts zu bemängeln und forderte in dem im weiteren vielzitierten Urteil die Beendigung dieser "regellosen Zustände", formulierte allerdings weder ein "Bereinigungsziel", dass den Abriss aller größeren Gebäude vorgab, noch ein konkretes Konzept für die „Entwohnung“.

Ab wann ist ein Gartenhaus ein Gartenhaus?

Die erlaubte Quadratmeterzahl für bebaute Fläche (inklusive Geräteschuppen, Vordächern, Hühnerställen, etc.) beläuft sich derzeit auf ganze 24. Das reicht meist grade noch für die Single-Küche und für die in Bremen durchaus angebrachte Terassenüberdachung - wohnen kann und soll dann ja da auch niemand mehr.
Dass dennoch viele der Häuser auf den Parzellengrundstücken eine größere Grundfläche haben, liegt zum einen daran, dass mit nachbarschaftlicher Billigung und oft auch tatkräftiger Unterstützung über Jahrzehnte hinweg nach und nach angebaut wurde, zum anderen, stand keine konkrete Bedrohung im Raum bzw. war das Vertrauen auf Nichtentdeckung groß. Auch war der schon erwähnte 28. Mai 1974, der mit der Dienstanweisung 268, nicht nur als Neubeginn des zuvor unterlassenen behördlichen Vorgehens gehandelt, sondern auch als Stichtag, bis zu dem es im nachhinein mit etwas Glück legitim war, größer zu bauen als auf 24 qm.

 

Gespräch zwischen Erwin Rohr und dem Erbauer uns Bewohner eines Kaisenhauses,  Herrn Meints, am 26. Juni 06 
und
Text nach Franka Wolf in kassiber 49 - Mai 2002
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