Familie Plonsker

Otto Plonsker und Martha, geb. Kievernagel hatten 1925 in Bremen, St. Johann, kirchlich geheiratet. Sie stammten aus dem Rheinland, Martha Plonsker war katholisch, während Otto Plonsker jüdischen Glaubens war. Vor der Eheschließung konvertierte Otto Plonsker zum katholischen Glauben und war mit der Familie regelmäßiger Besucher des Gottesdienstes in St. Johann. Darüber hinaus trat er der Kolpingfamilie bei und trug bei der Fronleichnamsprozession das Banner der Kolpingfamilie. Das junge Paar erwarb in der Schönauenstraße 12 die Hälfte eines Zweifamilienhauses. Dieses Eigentum war für sie die Grundlage, um die Nazizeit überstehen zu können.

Martha Plonsker brachte eine Tochter in die Ehe, die von Otto Plonsker adoptiert wurde. Ruth wurde nach  den Nürnberger Rassengesetzen (1935) als „arisch" bezeichnet, die später  geborenen sieben Kinder - Hans, Maria (sie starb bald nach ihrer Geburt), Waltraud, Edwin, Eva, Heinz und Ulrich - die zwischen 1925 und 1937 geboren wurden - galten als „Halbjuden". Sie erinnerten sich ihres Vater als bescheidenen, gutmütigen Menschen, der als kaufmännischer Angestellter ein kleines Gehalt bezog. Als die Nationalsozialisten 1933 zur Macht kamen, musste er die Stelle aufgeben und durfte nur noch als Fuhrmann mit einem Pferdefuhrwerk zunächst für eine Wäscherei, dann für den Bäcker Hartke im Schnoor die Waren zu den Kunden bringen. Damit konnte er bis zu seiner Verhaftung im Februar 1945 ein bescheidenes Gehalt nach Hause bringen. Martha Plonsker erledigte die Geschäfte der Familie, da ihr Mann wegen seiner jüdischen Herkunft zu äußerster Zurückhaltung, zum Versteck, wenn es an der Tür läutete und zum Schweigen gezwungen war. So mussten auch die Kinder ihren Vater erleben.

Wiederholt wurden die Eheleute einzeln oder gemeinsam zur Gestapo gerufen und unter Drohungen aufgefordert, sich scheiden zu lassen. Dies kam für sie niemals infrage. Während einem der Verhöre entwendete Martha Plonsker ein „Schutzhaftformular“, um es der Nachwelt zu erhalten. Ihrem engagierten und klugen Auftreten war es zu verdanken, dass sich die Verhaftung ihres Ehemannes lange hinausschob. Schließlich wurde er am 14.2.1945, morgens um drei Uhr, in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Einzufinden hatte er sich bereits einen Tag zuvor, an der Verladerampe im Güterbahnhof Bremen. Heinz, der zweitjüngste Sohn erinnert sich, dass sein Vater – ohne zu wissen, was ihn erwartete – erleichtert schien, den Demütigungen zu entkommen.

Der älteste Sohn Hans hatte, weil er Messdiener war, guten Kontakt zu den Geistlichen von St. Johann, die der Familie nach besten Kräften halfen. Kleiderspenden und die Möglichkeit, jeden Mittag Essensreste vom St. Joseph-Stift abzuholen, halfen der Familie aus der größten Not. Auch der Bäcker Hartke, ein Protestant, kam in Abständen mit einer unauffälligen Aktentasche voller Brot in der Schönauenstraße vorbei, nicht ohne einige Reichsmark auf den Tisch zu legen.

Nach der Schulzeit und einer Gärtnerlehre musste sich Hans im November 1944 im Arbeitslager Kassel melden, widrigenfalls würde die ganze Familie in „Sippenhaft“ genommen. Ein Eisenbahntransport sollte ihn, gemeinsam mit 400 anderen „halbjüdischen“ Jugendlichen, von dort in das Ghetto Litzmannstadt bringen. Hans floh aus dem Lager, wurde von der Feldgendarmerie aufgegriffen, als Deserteur ins Gefängnis gesteckt und vor das SS-Standgericht in Braunschweig gebracht. Weil sich herausstellte, dass er nicht aus der Wehrmacht desertiert war, wurde er entlassen und einem Bombenräumkommando zugeteilt. Er floh aufs Neue und erlebte in Bremen die Befreiung.

Die jüngeren Geschwister hatten, soweit sie schulpflichtig waren, die Schule in Horn besucht und wurden dort und auch in der Nachbarschaft belästigt und beschimpft. Immer wenn sie außer Haus gingen, „waren die Gardinen der Nachbarn in Bewegung, es war eine Art Spießrutenlaufen.“ Als die Bombenangriffe auf Bremen stärker wurden, sorgte die katholische Gemeinde dafür, dass auch die Kinder der Familie Plonsker in Glandorf bei Osnabrück bei Bauern unterkommen konnten.

Nach Kriegsende kehrten sie nach Bremen zurück. Die Besatzungsmacht gewährte der Familie wegen ihrer Verfolgung in der NS-Zeit einen Ausweis für bevorzugte Behandlung zum Kauf von Lebensmitteln. Es zeigte sich aber, dass die tief sitzende Ablehnung gegenüber Menschen jüdischer Herkunft bei manchen Mitbürgern keineswegs verschwunden war. So sagte der Milchhändler zu Heinz: „Komm, Moses, stell dich hinten an!" Und weil der Bevorzugtenschein nur Ärger bereitete, verzichtete die Familie darauf, ihn vorzuzeigen.

Otto Plonsker kehrte am 19.6.1945 um 7.45 Uhr aus Theresienstadt nach Bremen zurück. Seine Mutter mit ihrer Schwester, sein Bruder mit Ehefrau waren in Konzentrationslagern ermordet worden. Sein Vater war 1934 eines natürlichen Todes gestorben. Otto Plonsker verfasste einen Bericht über seine Deportation und seine Haft in Theresienstadt. Darüber sprechen konnte er nicht. Nach zwölfjähriger Verfolgung, Erniedrigung und Angst verließ er - physisch und psychisch gebrochen – Bremen. Einem Familienleben konnte er nicht mehr standhalten. Die Kinder haben ihren Vater nie wiedergesehen.

In der Nachkriegszeit brauchte es lange, bis Martha Plonsker eine kleine Rente bekam, da sie während der NS-Jahre nur Nebentätigkeiten verrichten konnte, die nicht sozialversichert waren. In einem kleinen Laden verkaufte sie Brot einer Bremer Fabrik. Um die Kinder kümmerte  sich die Großmutter, Petronella Kievernagel, die 1949 starb. Martha, die die Trennung von ihrem Mann nie überwunden hat, starb 1981 mit 79 Jahren. Otto Plonsker starb 1994 in Köln. Zurzeit leben noch drei ihrer Kinder: Waltraud in Australien, Eva in Kanada und Heinz in Bremen.

Heinz Plonsker, der als leitender Angestellter eines weltweit agierenden Konzerns tätig war, wurde 1999 von einem Geschäftsführer, der von seiner Familiengeschichte wusste, zweimal gefragt: „Heinz, wie war das noch? Haben die Juden die Deutschen umgebracht oder...?“

Bild oben:
 Familie Plonsker 1939. Linke Gruppe: Vater Otto, Edwin, Ulrich, Ruth; rechte Gruppe: hinten Hans, davor Eva, Großmutter Petronella Kievernagel, vorn Heinz, Waltraud, Mutter Martha.

Literatur und Quellen:
„Lebensgeschichten - Schicksale Bremer Christen jüdischer Abstammung nach 1933, Hauschild Verlag Bremen 2006/2009; darin der Bericht von Otto Plonsker über das Ghetto Theresienstadt.

Interview: Adalbert Keilus, der am 18. April 2000 mit den Brüdern Hans und Heinz Plonsker über ihre Familiengeschichte während der Nazizeit sprach sowie Erinnerungen von Heinz Plonsker im Dezember 2006 und im Februar 2017.

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