Schlachterei
Osmers Mein Großvater Johann Heinrich Osmers, kaufte das Haus 1907 von dem Milchhändler Johann Hermann Jäger, wohnhaft in Horn und Lehe, an der Chaussee nach Oberneuland No. 2 s (jetzt Leher Heerstr. 58).
Vorher war das Gebäude
im Besitz von Cord Wulfken. )1 , der es 1900 an den Heinrich
Friedrich Carl Fuhrwerksbesitzer Nolting verkaufte. Nach seinem Tode
verkaufte die Witwe Wilhelmine Marie Dorothee Nolting geb. Hillmann 1904
das Haus an Johann Hermann Jäger. Das Grundstück wird in der Lassungsurkunde vom 5. Juni 1904 wie folgt beschrieben: „Das
Grundstück liegt im Gebiet am rechten Weserufer in der Feldmark Horn
und Lehe, an der Chaussee nach Oberneuland No. 2 s, ist im Kataster mit
658 B bezeichnet und besteht aus einem Wohnhaus, Stall, Vorgarten,
Hofraum und Zubehör, groß nach dem Kataster: 274 qm Dasselbe grenzt:
Im Nordost mit 11,4 m an die Vorstraße und mit 24.2 m an Heinrich
Wilhelm Köppe, im Südosten mit 6,30 m an die Chaussee mit 7,8 m an
Heinrich Wilhelm Köppe. Im Südwesten mit 33,20 m an Ede Garrels Eggen.
Im Nordwesten mit 11,62 m an Johann Kaemena die obigen Umfangsmaße sind
der letzten Beschreibung dieses Grundstückes entnommen. Das Wohnhaus
hat im Nordosten eine mit dem Nachbarhause gemeinschaftliche Mauer, im
übrigen eigene Mauern. … Auf dem Hofraume zwischen dem Stalle
befindet sich in der nordöstlichen Grenze ein Brunnenschacht, der mit
dem nordöstlichen Nachbargrundstück gemeinschaftlich ist und demgemäß
auch mit dem Nachbarn gemeinschaftlich zu reinigen und zu unterhalten
ist. Der Graben im Nordwesten gehört in anschließender halber Breite
hierher.“ Am 1. April 1907 eröffnete mein Großvater mit seiner Frau die Schlachterei mit Ladengeschäft. In den ersten Jahren wurde das Schlachtvieh noch mit Pferd und Wagen vom Bremer Schlachthof geholt. Die Verarbeitung und die Wurstherstellung erfolgten dann im Hause. Pferd und Wagen waren im Stallgebäude hinter dem Haus untergebracht. Bis zum 1. Weltkrieg entwickelte sich das Geschäft recht gut. Während des Krieges und besonders danach, bis zum Ende der Inflation 1922/23, war es ein harter Kampf ums Überleben. Das Pferd und der Pferdewagen wurden wohl erst nach dem 1. Weltkrieg abgeschafft. Um 1925 entschloss sich mein Großvater das Haus um eine Etage aufzustocken. Dadurch konnte der Wohnraum und die Küche vergrößert werden. Auch der Laden wurde modernisiert und im hinteren Bereich um ein großes Kühlhaus erweitert. Heinrich Osmers erwarb am 19. Juli 1930 den Führerschein und kaufte später für das Geschäft ein erstes Automobil, ein Opel-Blitz Dreiradfahrzeug. Eine Anekdote, die meine
Großmutter mir häufig erzählte, war, dass ihr Mann kein guter
Autofahrer gewesen sei und sie lieber mit ihrem Sohn Werner fuhr. Eines
Tages befuhr mein Großvater mit dem Opel-Blitz die Mahndorfer Heerstraße
in Richtung Stadt und bog etwas zu rasant in die Mahndorfer Bahnhofstraße
ein. Dabei kippte er mit dem Auto um. Mein Vater, der mit Großmutter
direkt dahinter fuhr, sprang aus dem offenen Hanomag (Laubfrosch), ohne
die Tür zu öffnen heraus, um seinem Vater zur Hilfe zu kommen. Neben
ein paar kleinen Schrammen war nichts weiter passiert. Das Auto wurde
wieder aufgerichtet und die Fahrt nach Horn konnte fortgesetzt werden. Am 25. Juni 1908 wurde der Sohn Werner Osmers geboren. Mein Vater, von seinen Freunden Klaus genannt, wollte nach Beendigung der Schule 1922 gern eine Lehre im Flugzeugbau beginnen. Durch die große Arbeitslosigkeit in dieser Zeit war dies nicht möglich. So begann er eine Lehre als Schlachter bei seinem Vater. 1935 heiratete er Emilie Kessemeier, wohnhaft Am Brahmkamp Nr. 54, heute Bäckerei Ruchel. Am 10. April 1936 wurde ich, Klaus Werner Heinrich Osmers, in der Leher Heerstr. 58 geboren. Bis zur Einschulung in die Schule Horner Heerstraße spielte ich mit den Nachbarskindern Hasch, Kämke und Tonding auf den breiten Fußwegen der Leher Heerstraße und auch in der Vorstraße und im Deichkamp.
Drei Jahre später, am 14. Oktober 1939, verstarb mein Großvater. Das Geschäft und die Schlachterei führte mein Vater mit seiner Ehefrau und anschließend meine Großmutter bis 1943 weiter. Mein Vater konnte, da er keiner Partei angehörte, dem Einsatz zum Kriegsdienst nicht entgehen, obwohl Schlachtereien zur Versorgung der Bevölkerung dienten und deren Inhaber vom Wehrdienst befreit waren. Das Geschäft wurde von einem durch die NSDAP eingesetzten Schlachter, bis zum Ende des 2. Weltkrieges weitergeführt. Großmutter, Mutter und ich haben während der Kriegszeit ab 1943 in unserem Wochenendhaus in Heidkrug, Kreis Verden /Aller gewohnt. Am 03. Juli 1945 wurde mein Vater aus der Gefangenschaft entlassen. So konnte er bald darauf das Geschäft und die Schlachterei wieder fortführen. Am 20. Mai 1946 wurde
meine Schwester Marianne geboren.
Am 03. Mai 1948 legte mein Vater die Meisterprüfung als Schlachtermeister vor der Handwerkskammer in Bremen ab. Bis zur Währungsreform am 21.06.1948 waren die Lebensmittel rationiert und für Fleisch- und Wurstwaren musste der Kunde entsprechende Marken abgeben, die mittels einer Schere von der Karte abgeschnitten wurden. Diese kleinen Markenschnipsel wurden nach Ladenschluss mit Tapetenkleister auf alte Zeitungsbogen aufgeklebt, die zum Einkauf von Fleisch auf dem Schlachthof benötigt wurden. Nicht immer konnte ich mich dieser geisttötenden Tätigkeit entziehen, es sei denn, ich erfand eine plausible Ausrede.
Am 28. Februar 1951 verstarb mein Vater. Für das Geschäft musste ein Mieter gefunden werden. Die Fleischwarenfabrik Ludwig Fischer pachtete die Ladenräume und führte das Geschäft weiter. Auch vergrößerte und modernisierte Fischer im Jahre 1963 die Ladenräume und das Kühlhaus. Im Sommer 1956 zogen wir nach Hastedt. Meine Großmutter blieb weiterhin in dem Haus bis 1970 wohnen. Sie verstarb am 18. Dez. 1980 im Altenheim in Rönnebeck. Am 1. Jan. 1983 übernahm
mein Schwester Marianne Restle geb.
Osmers das Haus. Der Pachtvertrag mit der Fleischwarenfabrik Ludwig
Fischer lief dann aus. Als Nachfolger hat die Firma Feinkost Werner
Hasch das Geschäft und das gesamte Wohnhaus gepachtet und am 30.04.1992
gekauft. Die Ladenpassage von Feinkost Hasch bestand bis zum Jahre 2001, danach wurde der gesamte Komplex einschließlich der Gastwirtschaft Ratjen verkauft und abgerissen. Somit hat das Haus an
der Leher Heerstraße 58 über 100 Jahre bestanden. )1 Die
Besitzerwechsel sind durch Lassungsurkunden von 1904 und 1907 belegt. |
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Bericht von Klaus W. H. Osmers | ||||||||
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