James
(Hans) Last "Als
ich schließlich erschöpft und rußig in meiner Heimatstadt Bremen
ankam, erwartete mich eine völlig zerbombten Stadt: Häuserruinen,
Schutthalden, abgezehrte und verängstigte Menschen, die langsam aus
ihren Kellern hervorgekrochen. ..
noch in den letzten Kriegstagen wurde Bremen unter amerikanischen
Verwaltung gestellt. Die es Soldaten wollten in ihren Kneipen ein
wenig Stimmung haben - und irgendwie hatten sie Wind davon bekommen,
dass die Familie Last in der Lage war, Musik zu machen. Also tauchte
kurz nach meiner Heimkehr ein hünenhafter schwarzer GI in Uniformen
bei uns auf und bellte:"Do you play music?!"
Ich musste in seinen Jeep einsteigen und mit ihm in einem
improvisierten Tanzklub fahren. Dort spielte ich dann eher schlecht
als recht ein paar Nummern auf dem Klavier.ich hatte natürlich keine
Ahnung von den aktuellen US-Hits, aber das tolle war: ich bekam Noten
und entdeckte mit einem Mal eine ganz neue faszinierende Musikwelt.
Als Honorar erhielt ich damals Zigaretten und Schokolade. Die
Schokolade verteilte ich an die Kinder in unserer Straße, die
Zigaretten hingegen waren so wertvoll wie Bargeld: Mein Vater tauschte
sie gegen Butter und einmal sogar gegen ein Ferkel beim Bauern ein.
Die Zigaretten, die ich von den Anlässen erhielt, hatte für mich
aber noch eine andere Bedeutung: Sie waren meine erste echte Gage -
und ich war somit unwiderruflich Berufsmusiker.
malepatus ließ der Club, in dem ich mir einige Abende lang die Finger
(am Bass) und spielte.
In diesen Clubs ging es alles andere als gesittet zu: die ohnehin
nicht gerade zimperlichen GIs ballerten mit ihren Revolvern in
Wildwest-Manier in die Decke, der Whisky floss auch nicht zu knapp,
die Stimmung wurde immer aufgeheizter .... Bei diesen
Clubabenden spielten wir bis zum Zapfenstreich, und während die
Soldaten beschwingt in ihre Quartiere zogen, mussten wir im Dunkeln
unsere Instrumente zusammenpacken. Aber die Sache lohnte sich: wir
bekamen Butter und immer wieder Zigaretten als Gage - und wenn die GIs
gegangen waren, suchten wir das leere Lokal nach Kippen ab, aus denen
wir dann "neue" Zigaretten drehten.
Ein höchst interessantes Betätigungfeld eröffnete sich mir durch
eine Annonce, die am Bahnhof von Bremen angeschlagen war: MUSIKER
GESUCHT stand da zu lesen. Unterzeichnet war das Pappkartonschild von
Hans-Günther Oesterreich, der heute zu Recht als der Begründer von
Radio Bremen gilt.
Am 23.12.1945
ging der neue Radiosender aus einer kleinen Villa in der Schwachhauser
Heerstraße erstmals auf Sendung.
Bald bekamen wir ein neues Studio: das Bremer Funktheater war ein
altes Kino, das notdürftig an die Erfordernisse der Akustik angepasst
wurde - ein dicker, schallschluckender Teppich, ein paar lange
Stoffbahnen mit denen man die Rhytmus-Section akustisch vom Rest des
Orchesters trennen konnte - und eine große Blumenspritze, mit der
dafür gesorgt wurde, dass sie Luft in dem improvisierten Studio nicht
allzu trocken wurde.
Bei unserem Radio-Liveonzerten machte ich erste Erfahrungen im Umgang
mit einem Konzertpublikum: es genügte nicht, nur einfach das
Instrument zu spielen, man musste dazu auch noch "schauspielen":
mit verzücktem Gesichtsausdruck und rhytmisch wippendem Kopf,
scheinbar atemlos über den Bass gekrümmt, swingte ich durch das
Programm. Und siehe da - meine Anstrengungen trugen mir im Mai 1947
die erste Erwähnung meines Namens in einer Kritik des Weser-Kurier
ein, in welcher der Kritiker die Metapher" Eisenbahn"
gewählt hatte, um das Konzert zu beschreiben." |