Hans Emil Otto Graf v. Sponeck,

Offizier, * 12. 2. 1888 Düsseldorf, gest. 23. 7. 1944 Germersheim.

 

Hans E. O. Graf v. Sponeck  übernahm als Nachfolger des Generals Adolf Strauß am 10. 11. 1938 die 22. Infanteriedivision in Bremen. Während seiner Dienstzeit in Bremen wohnte er, wie vorher Strauß,  mit seiner Familie in der "Dienstwohnung" an der Horner Heerstraße 23. Er wurde 1942 wegen Befehlverweigerung zum Tode verurteilt und 1944 hingerichtet. Seine Frau wurde 1944 in "Sippenhaft" genommen, konnte aber fliehen.
Am 20. August 1939 wurde sein Sohn Hans Christof von Sponeck in Bremen geboren. Seine Mutter hat  in einem Tagebuch die Ereignisse in der Horner Heerstraße und der weiteren Zeit für ihren Sohn festgehalten. 
Hans-Christof von Sponeck
war einer der ersten Wehrdienstverweigerer in der Bundesrepublik und wurde hochrangiger UN-Diplomat der unter anderem die Aktion "Öl für Lebensmittel" leitete.
Im Februar 2000 reichte er aus Protest gegen die Sanktionspolitik gegen den Irak seinen Rücktritt ein.

Im Dezember 1941 wurde Sponeck mit der Führung des XXXXII. Armeekorps beauftragt, das die Küste der Halbinsel Kertsch auf der Krim zu sichern hatte.  Vom 26. bis 28. 12. landeten die Sowjets bei Kertsch. Am 29. 12. kam es zu einer nächtlichen Landung der Sowjets bei Feodosia, der weitere Landungen auch auf der Halbinsel Kertsch folgten. Entgegen dem ausdrücklichen Befehl aus dem Führerhauptquartier trat Sponeck den Rückzug an, und bewahrte damit viele Soldaten vor dem sicheren Untergang. Am 23. 1. 1942 fand der Prozeß unter dem Vorsitz Görings statt, der den Angeklagten sieben Stunden stehen ließ und auf Zeugenaussagen verzichtete. Wegen Ungehorsams wurde S. zum Tode verurteilt. Adolf Hitler wandelte das Strafmaß in sechs Jahre Festungshaft um, die S. in Germersheim verbüßte. Im Zuge der Vergeltungsmaßnahmen nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. 7. 1944 verlangte die Geheime Staatspolizei seine Auslieferung,  die der Festungskommandant aber ablehnte. Daraufhin kam am 23. 7. die telefonische Anweisung, dass S. bis um 7 Uhr zu erschießen und Vollzugsmeldung an Heinrich Himmler, zu erstatten sei. 

„Vierzig Jahre habe ich dem Vaterland, das ich von ganzem Herzen geliebt habe, als Soldat und Offizier gedient. Wenn ich heute mein Leben lassen muss, so sterbe ich in der Hoffnung auf ein besseres Deutschland“, waren die letzten Worte Sponecks an die Soldaten, die um 7.13 Uhr in der Festung Germersheim den Befehl Himmlers vollstreckten. Vom Festungskommandanten wurden die Soldaten zu unbedingtem Stillschweigen verpflichtet. Offiziell hieß es Graf Sponeck sei in „geheimer Staatssache erschossen“ worden. 

Am 24 Juni 44 wurde Sponeck in Germersheim beerdigt. An seinem Grab durften keine Traueransprachen gehalten werden, nur ein Vaterunser wurde gesprochen.

Aus dem Tagebuch der Gräfin von Sponeck (Auszüge)

"Der Vater fotografiert am 24.11.39 bei seinem Urlaub in seinem Zimmer in Bremen, 
Horner Heerstr. 23"

"Der Altar zu Hans-Christofs Taufe"
"Die Taufe war eine richtige Kriegstaufe, hinter dem Altar hing die Reichskriegsflagge. Das Essen war kriegsmäßig einfach. Es gab erst eine Suppe, dann Zungenragout in Weinbrand, eine Torte und Butter und Käse. Hinterher gab es aber einen Mokka, was in heutiger Zeit eine große Delikatesse ist."

"Am 23. Juli 44 ist H. Chr. geliebter Vater für immer von und gegangen. Noch versteht er nicht, was er mit diesem Vater verloren hat.
Er wird aber später erkennen, wie edel, ehrenhaft und … sein Vater war, der seine Familie, seinen Beruf mit dem er seinem geliebten Vaterland immer dienen wollte über alles liebte."

5.11.39
Nun ist der Papi schon 11 Wochen im Krieg und Hans Christof ist genau so alt. Wann wird dieser Krieg zu Ende sein, es ist noch gar nicht abzusehen, wie sich alles entwickeln wird. Unser kleines Kind ist nun ein richtiges kleines Kriegskind geworden und hat seine kleinen blauen Augen in sehr ernster Zeit aufgemacht.

17.7.40  
Hans-Christof ist ein kräftiger kleiner Kerl geworden, er wiegt 18 ½  Pfund, geht im Paradeschritt an einer Hand mit mir durch den Garten. Er geht in seinem Ställchen ganz schnell spazieren achtet auf jedes Geräusch, sieht jedes Flugzeug. Nachts im Luftschutzkeller schläft er nach einigem Brummen wieder und lässt sich auch nicht durch die schwere Flak stören, die rechts und links nicht weit von unserem Haus steht und tüchtig ballert.

20.10.40  
Der kleine Mann lief mit einem Jahr und drei Tagen zu unserer großen Freude. Der Vater, der für einige Tage auf Urlaub bei uns war, hatte unendlich viel Freude an ihm. Er spricht zwar noch sehr wenig, versteht aber jedes Wort, was man ihm sagt.  Er macht das Krähen der Vögel und das Bellen unseres Hundes nach. Leider mussten wir fast jede Nacht mit ihm in den Luftschutzkeller wandern, dort hat er sein zweites Bettchen, in dem er dann auch bald wieder einschläft. Wir sind rund 100 Mal mit ihm in den Keller gewandert.

14.6.41
Lange Zeit ist vergangen, seit ich wieder die Feder in die Hand nahm. Es hat sich aber auch inzwischen viel ereignet. Wir sind seit 4 Wochen in einem Jagdhaus, 35 km von Bremen entfernt, weil wir vor den englischen Bombenangriffen aus Bremen geflüchtet sind.. Lange genug haben wir ausgehalten. Unser Häuschen liegt einsam in einem kleinen Wäldchen, das rings von einem hohen Zaun umgeben ist, sodass uns unser Kind nicht entwischen kann.

 

In Bremen erinnert die am 3. 6. 1958 nach ihm benannte „Graf-Sponeck-Straße" im Ortsteil Neue Vahr-Süd an ihn.

Der „Fall Sponeck" stellt einen der Höhepunkte in der Entwicklung des Verhältnisses „Führer" und bewaffnete Macht dar und ist nur in diesem Zusammenhang begreifbar. Hitler hatte seine Zielsetzung 1933-45 klar formuliert. Das Ergebnis seiner Befehlsführung musste die Aushöhlung der Position des Soldaten alten Schlages sein. In der außerordentlich schwierigen Lage, die durch die Landung der Russen bei Feodosia im Rücken des von S. geführten Armeekorps entstanden war, hat sich dieser, als ein verantwortungsbewusster Offizier bewiesen, der sich der gestellten Aufgabe und der ihm unterstellten Truppe verpflichtet fühlte. Er musste in seiner Auffassung in unüberbrückbaren Gegensatz zu Hitler kommen, der am 19. 12. 1941 den Oberbefehl über das Heer übernommen hatte. Die Führung des kriegsgerichtlichen Verfahrens gegen S. zeigte, wie die politische Führung, die bedingungslosen Gehorsam und Aufgabe der inneren Unabhängigkeit und geistigen Freiheit vom Einzelnen forderte, in schrankenlosen Willkürakten sich das Objekt „Mensch" unterwarf. Das Dramatische und Tragische dieser Entwicklung verdichtete sich in immer zahlreicher werdenden Schicksalen, bis 1944-45 das ganze Reich und Volk geopfert wurden. Das Los des Grafen S. ist es gewesen, ausgewählt zu sein, um vorerst stellvertretend zu leiden. Seine Haltung in den Morgenstunden des 23.7.1944 lässt den Schluss zu, dass ihm diese Einordnung bewusst war.

Bremische Biographie 1912-1962, Hrg. Bremer Hist. Ges. bearbeitet v. Wilhelm Lührs, Bremen 1969

Mein Vater war ein Offizier im besten Sinne der preussischen Tradition. Fairness  und Integrität waren ihm als Soldat und Familienoberhaupt von entscheidender Wichtigkeit. Bei seinen Vorgesetzten galt er daher als unbequem, bei den Untergebenen als Vorbild. Mitmenschlichkeit und Humor begleiteten sein Leben.
Meine Mutter erfuhr von der Hinrichtung meines Vaters durch das englische Radio. In diesen schweren Tagen des Juli 1944, verschwieg sie mir zunächst den Tod meines Vaters. In dem kleinen Ort Badenweiler, in dem meine Mutter und ich, nach der Verbannung aus Bremen, eine neue Heimat gefunden hatten, hänselten meine Freunde mich damit, dass sie mir zuriefen: "Dein Vater ist aufgehängt worden." Ich glaubte dies nicht. Sprach aber mit niemanden, auch nicht mit meiner Mutter, darüber. Schließlich nahm mich meine Mutter an einem warmen August Tag 1944 in ihre Arme und erzählte mir von der Erschießung meines Vaters. Nun kannte  ich die Wahrheit und konnte weinen.
Meine Mutter und ich besuchten, so oft es erlaubt war, von Badenweiler aus meinen Vater in der Festung von Germersheim. Heute eine kurze Strecke von wenigen Stunden,  war es in den Kriegsjahren eine lange und beschwerliche Zugreise. In der kleinen Zelle meines Vaters lag immer seine Bibel bereit. Wenige Augenblicke vor seiner Erschießung widmete er diese Bibel seinem Burschen. Sein Glaube an Gott hat ihm geholfen die Demütigung seiner Soldatenehre zu überwinden. Meine Mutter gab ihm Hoffnung durch ihre Liebe. Unglaubliche Zärtlichkeit erfuhr ich von meinem Vater in den kurzen Momenten unseres Zusammenseins. Von meiner Mutter wusste ich später, dass er über meine Zukunft besorgt war.
Am Standort der Erschießung vor der Festung von Germersheim am 23. Juli 1944 lehnte mein Vater die Augenbinde ab. Zu seinen letzten Worten gehörte: "Ich will meinem Gott in die Augen schauen und sterben in der Hoffnung auf ein besseres Deutschland."
Mein Vater ist immer mein Vorbild gewesen. Meine Schulzeit in Salem hat mich weiter gestärkt, an die Richtigkeit dieses Vorbilds zu glauben. Das Schicksal meiner Familie, besonders der Tod meines Vaters, haben mir den eigenen Weg vorgegeben. 'Dem Frieden dienen, Konflikte  verhindern' ist  daher ein wichtiges Motto in meinem Leben geworden, dem ich in über 30 Jahren Dienstzeit in den Vereinten Nationen praktischen Ausdruck geben konnte.

Hans-Christof Sponeck im August 2006

Im März 2007 wurde vor dem Hause an der Horner Heerstraße zum Gedenken an Graf von Sponeck ein Stolperstein verlegt. (Zeitungsbericht)