Die Schulwache

Die Schulwache
Ich bin erwacht
nach dieser Nacht.
Der Tag ist neu und schön,
als sei mir nichts geschehn.
Er hebt so froh sein Angesicht,
als wüßt er wohl, daß er ja nicht
den schlimmen, tollen Spuk gebar.
Es war die Nacht mit ihrer Geisterschar.

War's denn ein Spuk, ein wilder Traum?
Nein, nein, den nächt'gen weiten Raum
erfüllt ein ungeheurer Lärm,
ein wilder Schrecken nah und fern.
Vögel kamen wie Ungeheuer,
in den Fängen trugen sie Feuer,
kamen surrend mit schrecklichem Singen,
durchschnitten die Luft mit stählernen Schwingen,
forderten Kampf in der Nacht!
Und es begann die Schlacht.
Zwei Stunden ein furchtbares Krachen,
zwei Stunden Höllenlachen.
Es schlitterten Fenster und Mauern,
und Menschen saßen mit Schauern
der Angst und der Pein
und fühlten sich klein
und gaben ihr Sein ergeben
dem Herrn über Tod und Leben.
Urplötzlich, wie die Schlacht begann,
war's auch vorbei. -

Und Menschenherzen atmeten erlöst und frei.
Und das die Schlacht noch eben sah,
das Land, es lag im Frieden da.
Und Mondenglanz verbreitete nun weise
ein mildes Licht auf Haus und Baum und Weide.
Der nächt'ge Wind sang leise
dem Herzen eine Weise,
so voll von Segen, voll von Ruh,

daß mir die Augen fielen zu.
So schlief ich, bis ich grad' erwacht,
um dankend aufzustehn,

daß ich nach dieser Schreckensnacht
noch darf im Lichte gehn.

E. Segelken in "Wolken die Vorüber zogen" A. Geist verlag. Bremen
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