Alfred
(Alfi) Walter Heymel
geb. 6.3.1878, gest. 26.11.1914, verh. mit Gitta Heymel, geb.
Kühlmann
Adoptiert vom Bremer Kaufmann Adolph
Heymel. Gründer der Zeitschrift "Die Insel", aus der später der
Insel-Verlag entstand, und Rennstallbesitzer. 1904-1908 lebte
Heymel in der Riensberger Straße in einem von seinem Freund und Vetter Rudolf Alexander Schröder erbauten
und eingerichteten Haus. Heymel war Reserveoffizier bei den Oldenburger
Dragonern. Im ersten Weltkrieg kämpfte er wenige Monate an der Spitze
eines Regimentes, bis er todkrank nach Deutschland zurückkehren
musste. Er starb, gepflegt von
seinen Cousinen, 1914 in Berlin. An der Trauerfreier in Berlin nahm
unter anderem Gerhard Hauptmann teil. Nach der Überführung wurde
Heymel auf dem Riensberger Friedhof bestattet.
Nachdem Schröder und Heymel 1903 aus München zurück nach Bremen gekommen
waren, besuchten sie den Direktor der Bremer Kunsthalle, Dr. Gustav Pauli, um
ihn für die Organisationen regelmäßiger Leseabende "zur Hebung des geistigen
Niveaus der Gesellschaft zu gewinnen" (Marga Berck). Auf Initiative Marga
Bercks, der Ehefrau von Pauli, bildete sich daraufhin ein Lesekreis junger Leute
aus Bremen, der sich bald den Namen
"Die goldene Wolke" gab. Der Kreis beschäftigte sich mit
zeitgenössischer Kunst und lud führende Künstler unter anderem Hugo v.
Hofmansthal und Rudolf Borchardt ein. Die Gruppe hatte das Ziel die Losung
"Wagen und Winnen" in das musische umzusetzen, um es dem in
Geschäft und Rendite denkenden Bremer Kaufleuten entgegenzusetzen. Am Ende der
Veranstaltungen, die umschichtig in den Häusern der Mitglieder stattfanden
wurde ausgiebig nach einem Ritual gegessen und anschließend musiziert und
getanzt.
Ich kann euch, die ihr das allen nicht mehr kennt, diese Häuser in
ihrer Festlichkeit wohl kaum richtig schildern, die lichte Anmut, die
Schröder dem herrlichen Haus am Riensberg verlieh. ....
Ich sehe uns alle noch bei einem Teenachmittag in diesem blühenden
Garten und dem hellen Haus, das Rudi Schröder dem Freunde mit allem
Einfühlen in seine verschwenderische Anmut neu gestaltet hatte, damit
Heymel für seine junge Frau, die Münchnerin Gitta v. Kühlmann, ein
Heim hätte, in dem sie sich auch in Bremen wohl fühlen sollte. Es muß
Ende Mai gewesen sein, denn ich erinnere midi, dass Flieder, Goldregen,
Pfingstrosen und Rotdorn blühten. Gitta kam uns in einem leichten weißen
Seidenkleid entgegen, ein breites blassrosa Seidenband um die Taille und
eine Rose in derselben Farbe an der Brust. Sie war so bildschön, wie
ich nie zuvor eine Frau ge= sehen hatte, und sie begrüßte uns alle
voller Herzlichkeit. Da war ein so überschwängliches Blühen, Duften
und Singen im Garten und ein solcher Frühlingszauber in der Luft, dass
wir ganz berauscht waren. An diesem Nachmittag waren außer einigen
Wolkenkindern noch Felix v. Rath, Professor Max v. Schillings mit dem
vornehmen Musikerkopf und den sensiblen Dirigentenhänden, Baron Simulin,
der Bücherfreund, und der Graf Bethusy dabei. Es wurde über Wagner und
Brahms diskutiert und nachher über Goethes Verhältnis zu Schiller.
Alfred Heymel las dazu das herrliche Gedicht vor, das Goethe schrieb
„Bei Betrachtung von Schillers Schädel", diese Strophen einer
Freundestrauer, die das Vergängliche ins Ewige ge= prägt sieht. Das
erste Abendlicht fiel in das Blühen ringsum. Da baten wir Lina Voigt zu
singen. Die Türen des Musiksalons waren weit offen. Sie stand da, am Flügel,
auf dem Toutelle sie begleitete, in ihrem hellen Kleid, mit einem
Rosenhut auf dem dunklen Haar und sang ganz schlicht:
„Komm, lieber Mai und
mache
Die Bäume wieder grün,
Und laß mir an dem Bache
Die kleinen Veilchen blühn."
Gedanken über einen Totenschädel im Gespräch der Männer, Mai und
Veilchen und Mozart in einem kleinen Lied, das eine Frau sang -
Zauber einer Stunde, die reif war für die dunkle Leidenschaftlich keit
der Brahmsschen Magelonen-Lieder:
„Angelehnt an die Efeuwand
dieser alten Terrasse ..."
Ich höre noch den braungoldenen Glanz ihrer warmen Stimme, aber wer
könnte noch sagen, wie Lina aussah, wenn sie so sang? Waren ihre Augen
grün, braun oder grau? Ich weiß es nicht mehr. Ich sehe nur das
Leuchten des Meeres in ihnen. Wir waren alle ganz benommen von dem
geheimnisvollen Ineinanderspiel der Lichter, Farben und Melodien dieses
Nachmittags. Ein Freund saß etwas abseits und blies mit seiner
Zigarette blaue Ringe in die Luft. Er sah so angestrengt durch sie
hindurch, als wolle er hinter ihrem Vergehen den Sinn alles Lebens ergründen.
Ich legte ihm leise meine Hand auf den Arm, weil seine Abwesenheit mich
bedrückte. Da sagte er: „Wie soll dies alles enden?"
Aber sie endeten ja noch lange nicht, jene schönen Tage, in die nur hie
und da frühe Schatten hinein fielen. |
Marga Berck: "Die goldene Wolke" |
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