Es mag ein besonderes Ereignis für die alten Bremer gewesen sein, als am 31. Mai 1876 die Probefahrt der Bahn stattfand. Ein mit Flaggen und Girlanden
geschmückter offener Pferdebahnwagen stand vor dem Hotel du Nord, an der Ecke des Breitenwegs, bereit, die geladenen Gäste nach Horn zu fahren.
Die Wirte an der Schwachhauser Chaussee (heute Schwachhauser Heerstraße) ließen es sich nicht nehmen, den vorbeikommenden Wagen, den Herr Westenfeld, Ingenieur und Mitbegründer der Bremer Pferdebahn, persönlich führte, mit Blasmusik zu empfangen. Bei der Vahrer Straße (heute
Bürgermeister-Spitta-Allee), wo sich damals eine schmale Brücke befand, war eine Ehrenpforte errichtet worden, ganz in der Nähe jenes verträumten Gartens, in dem noch heute der klassische Freundschaftstempel des ehemaligen Deliusschen Landgutes zur Vahr zu sehen ist.
Hier nahm Diedrich Seekamp, der Vorsitzende des Vorstandes der Bremer Pferdebahn, einen mit rot-weißer Schleife gezierten goldenen Nagel in Empfang und schlug ihn in die zuletzt verlegte Schiene ein.
Begeisterte Hochrufe erschallten dabei von den zahlreichen Bauern, die aus der näheren Umgebung gekommen waren, um sich
"dat Spillwark antokieken". Seekamps Ansprache gipfelte in den Worten: "das Werk möge lange bestehen zum Segen des jetzigen Bremens und seiner Nachkommen".
In Siedenburgs Caffee stärkte sich die Gesellschaft für die Rückfahrt zum Hotel du Nord, wo an der Table d´hote unentwegt auf alle Leute
getrunken wurde, die mit dem Bau der Bahn in Zusammenhang standen. Erst spät trennten sich die Herren, in der
Gewissheit, der Hansestadt Bremen einen wichtigen Fortschritt gebracht zu haben. Einige Tage später, am ersten Pfingsttag, dem 4. Juni 1876, übergab die Direktion die Bahn dem "Bremer
Publicum".
Die Fahrt vom Herdentor nach Horn dauerte etwa 40 Minuten und kostete wochentags 15 und sonntags 30 Pfennig. Ganz Bremen war auf den Beinen, die neue Bahn gebührend in Augenschein zu nehmen. An beiden Pfingsttagen wurden über 2000 Personen befördert. So mancher Familienvater machte sich ein Vergnügen daraus, mit Kind und Kegel das Pfingstfest würdig durch eine Fahrt im offenen Pferdewagen zu begehen. Der Andrang war so stark,
dass einige auf den Gedanken kamen, die weniger besetzten Wagen am Tunnel bei der "Concordia" in Richtung Stadt zu besteigen, um am Herdentor bei der Rückfahrt
nach Horn eines Sitzplatzes sicher zu sein.
20 Pferde, 4 offene und 8 geschlossene Wagen und 16 Mann Personal gehörten zum Betriebe der Gesellschaft, deren Vorstand trotz Entgleisungen, Rad- und Achsbrüchen am Ende des Jahres sagen durfte: "In mancher Beziehung können wir mit besonderer Genugtuung und Freude uns dem bereits Erreichten hingeben".
Chronik der Bremer Straßenbahn zum 75jährigen Jubiläum
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