Wir stehen im Advent ….und wir alle fühlen, jetzt wird alles vorbereitet zu den letzten großen Schlägen. Rückenfrei wurden wir im Osten. Die Nacht ist vorgerückt. Wir alle wittern Morgenluft. Noch aber ist der volle Tag nicht da. Noch liegt es dunkel über dem Westen, aber auch in dieses Dunkel fiel schon ein verheißungsvolles Licht. Der Morgenstern leuchtet über Cambrai auf. Jetzt wissen wir, auch den Engländer können wir schlagen trotz aller Tanks, trotz aller seiner Mittel und Waffen, sobald wir es wollen. Und der Wille ist da, aber der Zeitpunkt ist noch nicht da. Es muss alles vorbereitet werden nach deutscher Art, nach Hindenburgs und Ludendorffs Art. Nun kommen die Brüder aus dem Osten und reihen sich unter die im Westen. Nun ordnet sich alles in der Stille. Wir wissen nicht wie und wo. Aber wir werden es erfahren, sobald die Blitze zucken und die Donner rasen.

Adventszeit ist's, große deutsche Vorbereitungszeit zum letzten Gang. Gott gebe, dass es ein Helden- und Siegesgang werde wie bisher, dass allen Schwarz- und Dunkelsehern unter uns die Augen übergehen möchten vom Licht, und sie mit uns, wenn auch wider Willen, den Männern danken müssen, die uns so gut und stark und treu geführt. ….Man fasst es kaum, wie selbst jetzt noch Leute unter uns sein können, denen jeder Blick für die Größe des Geschehens und für die ungeheure Tat fehlt, die Deutschland dem Frieden auf Erden gerade jetzt zu leisten sich anschickt;

Sie reden vom Verständigungsfrieden. … Aber was sollen diese Schlagworte? Zu jeder Verständigung gehören ihrer Zwei, und wenn der eine sich nicht verständigen will, dann hilft im Kriege nur eins, dass man ihn durch den Druck der Waffen zur Verständigung geneigt macht. … Wir haben nicht nur die Pflicht, sondern das große und heilige Recht, in tiefstem Vertrauen zu unserem Führer und unseren Truppen auch das Letzte und Größte von ihnen zu erwarten. ... Mitten in all der Nacht dieses ungeheuren Ringens haben sie Siegesstern um Siegesstern für uns entzündet, um unsere Herzen zu erleuchten. …

Wo aber sind die Siegessterne, die Italien leuchten, die Frankreich leuchten, die England leuchten? Dort überall herrscht die Dunkelheit. Jetzt kriechen in der längsten, bängsten Wartezeit dort überall die Zweifel in die Höhe, während unaufhaltbar unsere Züge vom Osten nach dem Westen rollen und niemand sie hindern kann. ...Sorgen wir nur dafür, dass alle Schwäche und geistige Ohnmacht, die auch unter uns vorhanden sind, feine ansteckende Macht erhalten; auch dann nicht, wenn sie sich in das Mäntelchen des christlichen Idealismus hüllen und die schmähen und verdächtigen, die im Opfer und der Selbsthingabe ihrer Kraft an das Vaterland die wahre Liebe sehen. Sorgen wir dafür, …dass wir Schritt um Schritt, so schwer es ist dem Gotte der Wirklichkeit gehen, der nicht will, dass man die nächsten Pflichten und Ziele über den entfernteren vergesse und sein Vaterland verlasse in seiner größten Not, um vom Weltfrieden billige Träume zu träumen

Je gewaltiger die Aufgabe ist, die wir Deutschen jetzt oder nie in der Welt zu lösen haben, um so wichtiger und ernster ist es, sich die Augen hell und den Blick ungetrübt für das ja erhalten, was die Forderung des Tages und damit göttliche Pflicht ist. ...

Ja wenn wir reine Geistigkeit wären, dann wäre der Weltfriede eine unsäglich leichte Sache. Der Geist, der Gedanke, ist ja unendliche Leichtigkeit und fliegt im Nu zu den fernsten und höchsten Idealen. ...

Ideale und letzte Endziele lassen sich nur so aus dem Ärmel der Zeiten schütteln und aus den träumenden Köpfen. Weltfriede, schönster Traum, o du billigster Traum, jedes Weiblein kann ihn träumen, und jeder nervenmüde Ästhet kann ihn sich ausmalen und sein gutes, harmloses Herz daran laben. Das soll ihm unbenommen sein ! …..

Denn was in goldenen Friedenszeiten gedankliches Recht war, das wird zum unverantwortlichen Unrecht jetzt, wo alle wie ein Raubgesindel uns überfallen haben, und wir seit 3 ½ Jahren auf Tod und Leben um unser Vaterland und unserer Kinder Zukunft ringen.

Jetzt ist es einfach Pflicht, zu sehen, dass nur die uns gerettet haben und retten können, die uns den Willen gestärkt und Wehr und Waffen blitzend und rostfrei erhalten haben. Jetzt, ... kann und darf jeder Deutsche, den man achten soll, nur den einen Glauben haben, ...dass Völkerzukunft und Völkerfriede nur bei denen sicher geborgen sein werden, die die Friedfertigkeit schon vor dem Kriege in Herz und Willen trugen und sie auch nach dem Kriege gemäß ihrer ernsten Natur von neuem bewähren werden. Und das sind, Gott sei Dank, wir Deutschen gewesen und werden es auch nach dem Kriege wieder sein. ...

Freilich, wer weder an sein Volk noch an das deutsche Wesen glaubt, kann auch daran nicht glauben. Aber wer nicht an Sein Volk glaubt in dieser großen Schicksalszeit seines Volkes, mit dem haben wir innerlich nichts gemein, er hat sich selbst geschieden von seinem Volk und das Recht verloren, zu ihm zu sprechen. ....

Gerade aber in solchen Sturm- und Schicksalszeiten scheidet sich die Spreu vom Weizen; es scheidet sich der falsche vom wahren Idealismus. ......

Wir alle brauchen gerade inmitten dieser schwersten Zeit solche leuchtenden Bilder in unserer Seele. Die draußen in den Schützengräben, die es am härtesten haben, haben sie am meisten not; … Sie müssen wissen, um was sie kämpfen, und wehe denen, die von daheim und ihrer wohlgeborgenen Sicherheit aus ihnen die leuchtenden Bilder ihres Herzens durch Mutlosigkeit und Verzweiflung verdunkeln

Frankreich … England reden um so heißer und malen um so wütender ihre Bilder, je mehr sie empfinden, dass sie ihnen unter den Fingern entweichen. Es sträubt sich ihre Seele mit aller Kraft gegen die Wirklichkeit, die ihnen drohend in die Augen schaut. …

Vielleicht hat niemals im Lauf der Geschichte ein Volk sich so gegen die Wirklichkeit verblendet, wie das Volk der Juden zur Zeit Jesu. Wo alles politisch verloren war und dieses kleine Zwergvolk in der Hand des römischen Riesenreiches nichts und gar nichts mehr für eigene, staatliche, politische Existenz zu hoffen hatte, gerade da träumte es seinen glühendsten Traum, dass der Messias käme und Israel zum politischen Herrn des Erdreiches mache. So oder ähnlich sitzen auch heute die kleinen Völker in den Winkeln des Balkans, so hofft das zerschmetterte Serbien, Montenegro, Italien und.... Frankreich, während es verblutet, auf. den englischen Messias. …

Aber so furchtbar diese Selbstverblendung der Völker durch die Bilder ist, von denen sie nicht lassen wollen, nicht minder gefährlich wäre es, wenn wir es umgekehrt machten ......

Jetzt wäre es das allergefährlichste, wenn letzte Endziele und Weltfriedensträume uns die Kraft nähmen, die Forderung des Tages selber zu erfüllen. Jetzt wäre es unverantwortlich, wenn billige Träume vom ewigen Frieden uns verhinderten, den zeitlichen Frieden durch deutsche Kraft und deutschen Sieg auf weit, weit hinaus zu sichern. ....

Die Mittel zum endgültigen Weltfrieden haben wir noch nicht in der Hand, aber die zum deutschen Frieden auf weit hinaus sind uns von Gott jetzt in die Hand gegeben. ...

Aber freilig vom „ewigen" Frieden träumen, das ist billig und leicht; den zeitlichen Frieden dagegen auf weit hinaus durch deutsche Kraft jetzt sichern, das ist schwer und kostet Opfer, Opfer nicht nur am Leben derer, die da draußen für uns ringen, sondern Opfer auch für uns daheim, die wir sie lieben und ein Fleisch und Blut, ein Herz und eine Seele mit ihnen sind. .....

(Auch) in unserer Seele glüht das große heilige Feuer. Wir möchten das Zukunftsfeuer entzünden, so groß und göttlich, dass aller Hader drin verglühte, alle Waffen drin zerschmölzen und endlich die große Friedens- und Schaffensperiode der Menschheit käme. Aber auch hier liegt vor dem Preis der Schweiß und vor dem Ideal das Opfer. Auch hier heißt es erst, sich taufen lassen, sich taufen lassen, wie der am Kreuz, mit Blut.

Wir erleiden als Volk jetzt nur dasselbe Schicksal, das alle großen irgendwie erlitten haben; Wir stehen mitten drin in der Bluttaufe selbst. Die Schöpfung gibt nicht, ohne zu fordern. Auf Opfern baut sich alles Große auf. Das gilt von unserem kleinen eigenen Schicksal, das gilt vom Volksschicksal im Großen. Jeder Beruf, soll etwas Wirkliches darin geschaffen werden, soll er beglücken und etwas für die Welt bedeuten, fordert das Opfer unserer Kraft. ... (Und) das gilt jetzt vollends von unseren Heerführern und verantwortlichen Stellen. Es macht ihnen alle Ehre, dass sie uns immer wieder das Warten und die großen Wartepausen zumuten … ehe sie zu neuen großen Schlägen ausholen. ...

Aber statt dessen findet man immer wieder Leute, die nichts können, als über den schrecklichen Krieg klagen, die nur feine dunkle Seite sehen, aber nicht das Große und Heldenhafte an ihm. Jünglinge findet man, die sich groß vorkommen, wenn sie erklären, dass sie den Krieg „hassten"; sie hassen, ohne es zu wissen, nur sich selbst und ihre eigene Ohnmacht. ... und die wird nicht besser dadurch, dass man die unter uns unchristlich schilt, die fest zu ihrem Volk und feinen großen Führern stehen und statt vom Weltfrieden große Worte zu machen, für den deutschen Sieg und Frieden den Willen und die Seelen anfachen und opferfähig zu erbauen suchen.

Es ist sehr billig, ihnen gegenüber auf das Jesuswort an Petrus zu verweisen: „Wer zum Schwert greift, soll durch das Schwert umkommen". Dies Wort gilt heute noch, wie damals, als Wort der Privatmoral, als Wort der Einzelmoral, aber nicht als Wort der. Staatsmoral. Der Einzelne darf das Schwert nicht führen gegen den Einzelnen. Da hat es nur die Obrigkeit zu führen, der Staat, um als alleiniger Inhaber der Gewalt die Gewalttat unter seinen Bürgern auszuschalten. ….

Und eben dieser Fall ist unser Fall in diesem großen, ungeheuren Kriege. Und so stehen wir und haben wir, auch als Christen, in unserm Staat in diesem seinem Kampfe um sich selbst zu stehen. Jetzt heißt es den Krieg sachlich, streng, fest und klar zur Durchführung bringen. Nur wer den Krieg wahrhaft kriegsmäßig zu nehmen weiß, der wird auch, den Frieden wahrhaft friedensmäßig, die Kultur wahrhaft kulturmäßig und die Religion wahrhaft religiös zu nehmen wissen… .

Zur fachlichen Durchführung dieses größten aller Kriege ist aber vor allem anderen eines not: die Ausdauer, die Zähigkeit, das geduldige Wartenkönnen. ....

Warten und die Ordnungen Gottes befolgen, warten und seine Opfer bringen, warten und still seine tägliche Pflicht tun! Es ist unser großes Deutsches Glück, dass wir zur Pflicht und ruhigen, fachlichen Leistung im Großen und Ganzen erzogen sind und unserem ganzen Charakter nach zu einer gewissen Nüchternheit und Stetigkeit hinneigen. ....

Das ist ein großer Vorzug, den wir den romanischen Völkern gegenüber haben. Aber wir haben es jetzt in der Hauptsache mit den Engländern zu tun, und die haben durch ihre germanische Blutmischung gerade dieses Stück unseres eigensten Wesens in allerschärfster Ausprägung: nämlich die Geduld und Zähigkeit im Festhalten einmal gefasster Pläne.

Bis jetzt haben unsere Heerführer sich geradezu als Meister darin erwiesen, und so denke ich, wollen auch wir daheim unser Teil dazu beitragen. Also arbeiten und nicht verzweifeln, warten und nichts übertreiben, warten und dennoch jeder an seiner Stelle ruhig, freudig und getrost das Seine tun. Das ist die Art der göttlichen Arbeit in der unendlichen Schöpfung. Da hat alles seine Zeit, aber alles muss auch zu seiner Zeit das Seine tun. So lasst uns alle miteinander schaffen und warten, warten und schaffen, Bewegung und Ruhe, Sturm und Stille, Ausgabe der Kraft und Einnahme der Kraft miteinander verbinden, dann wird es uns und muss es uns gelingen. Die Nacht ist vorgerückt und im Osten der Tag schon da! Wir stehen im deutschen Advent, und der Morgenstern leuchtete über Cambrai auf! Nur jetzt zäh sein, nur jetzt geduldig und tapfer sein! Dann wird die Vorbereitungszeit zur Zeit der Erfüllung. Aus deutschem Advent wird deutsches Weihnachten und deutscher Friede. Das walte Gott! Amen.

Deutscher Advent, Predigt gehalten am 9. Dezember 1919 in der Kirche zu Horn bei Bremen von Pastor Karl König (Auszüge)

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